Zur Interpretation der Corona-Zahlen – Welch Unterschied eine Null macht
Ich kann mir nicht helfen – ich denke, dass die zum Standard gewordene Betrachtungsweise „pro 100.000 Einwohner“ wesentlich zu dem Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung beiträgt. Um es vorweg zu sagen: Ich bin für die (meisten) Eindämmungsmaßnahmen, Maske tragen, Abstand halten, etc. Ich will das Virus selbst nicht bekommen. Trotzdem scheint mir, dass eine andere Maßzahl als Referenz die Diskussion versachlichen könnte.
100.000 Leute kann sich niemand vorstellen – uns fehlt
schlicht der Bezug dazu, weil eine solch große Zahl im Alltag selten vorkommt. Die
riesigen Unterschiede bei der Schätzung von Demonstrationsteilnehmern
verdeutlichen dies. Irgendwie sind 100.000 einfach ziemlich viele, eine
unüberschaubar große Menge. Dementsprechend können wir auch mit dem
Infektionsgeschehen von 19, 35, 52, 76, 132 oder gar 275 Fällen pro 100.000
Einwohner in der letzten Woche intuitiv wenig anfangen. Bedrohlich klingt’s
jedenfalls.
Ein Vorschlag wäre, die Infektionszahlen („Inzidenz“) stattdessen
auf 10.000 Einwohner zu berechnen: Das entspricht einer recht gut gefüllten
großen Veranstaltungshalle. Intuitiv jedenfalls gut handhabbar für Leute, die
in solchen Hallen Rockkonzerte besucht haben. Wie sähen nun die Corona-Zahlen
aus, über die wir die ganze Zeit diskutieren? Hier zum Vergleich noch einmal
die Ampel für das Infektionsgeschehen innerhalb von sieben Tagen pro 100.000
Einwohner, wie sie in einigen Bundesländern verwendet wird:
Bis zu 20 Fällen - keine Maßnahmen
20-35 Fälle - erweitertes Meldewesen
35-49 Fälle - erweiterte Maßnahmen
50-74 Fälle - Beschränkungskonzept
75+ Fälle - zentrale Steuerung, große Aufregung
Okay, die letzte Maßnahme habe ich hinzugefügt. Wie sähe nun
die gleichen Stufen aus, wenn das Ganze auf 10.000 Personen pro sieben Tage
normiert wäre:
Bis zu 2 Fällen - keine Maßnahmen
2-4 Fälle - erweitertes Meldewesen
4-5 Fälle - erweiterte Maßnahmen
5-7 Fälle - Beschränkungskonzept
8+ Fälle - zentrale
Steuerung, große Aufregung
Mit anderen Worten: Wenn sich zwei von 10.000 Personen in
einer Woche anstecken (also 9.998 von 10.000 in den letzten sieben Tagen nicht
angesteckt haben), gibt es eine erhöhte Wachsamkeit. Stecken sich im gleichen
Zeitraum fünf Personen an (also 9.995 von 10.000 nicht), tritt das
Beschränkungskonzept in Kraft, die Region gilt als Risikogebiet. Mhm. Ich
verstehe weiter die Angst vor einem exponentiellen Anstieg, aber eine Panik
lösen diese Zahlen nicht mehr aus.
Der Berchtesgadener Landkreis hätte somit eine Inzidenz von 28 Personen pro 10.000 Einwohnern – in der letzten Woche hätten sich 9.972 von 10.000 Personen nicht angesteckt (Stand 24.10.2020). Zeit für Reaktionen, kein Grund zur Panik.
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